Eine Entscheidung der Politik

Ganz oder gar nicht: Stadtrat entscheidet über die weitere Mitgliedschaft Stolbergs in der europaweiten Vereinigung. Es geht um 2500 bis 12 500 Euro. Kosten stehen touristische Potenziale gegenüber. Bislang zu wenig genutzt.


Schmiedeten bei der europaweiten Aktion am 23. September die „Taube des Friedens“: Adi Radermacher und Lars Potente (r.). 




Wenige Besucher bekamen bei den bisherigen Kupfermeistertreffen viel zu sehen. Die Kosten für solche Plaketten (kl. Bilder) für die Skulpturen der Mitgliedsstädte sind Auslöser der Grundsatzdebatte.Foto: J. Lange 

Stolberg. Es war ein Zeichen des Friedens und der Freundschaft, während der großen Krise in der Ukraine. In 18 Städten aus zwölf Nationen glühten die Essen und surrten die Hämmer auf die Ambosse nieder. In Stolberg legten Adi Radermacher und Lars Potente Hand an, um die „Taube des Friedens“ zu schmieden und ihren Beitrag ins soziale Netz von Facebook einzustellen. Auf diese Art und Weise dokumentieren die Mitglieder des „Rings der europäischen Schmiedestädte“ die Verbundenheit mit ihrer Mitgliedsstadt Donezk, wo die Werkstatt von Schmied Viktor Burduk erst vor wenigen Tagen durch eine Granate erheblich beschädigt wurde. Es ist eine außergewöhnliche Geste unter Menschen unterschiedlicher Nationen, die durch ihr Handwerk sowie regelmäßige Treffen und Aktivitäten über die Jahre zu Freunden geworden sind. Ein Stück gelebtes Europa ist entstanden, und Viktor Burduk und die Vertreter seiner Kommune waren voller Stolz, als ihre Stadt in der Ukraine vor sechs Jahren bei der Tagung in Frisoythe in den Ring aufgenommen wurde.

Stolberg ist Mitgründer

Sein Ziel ist ausgesprochen friedlicher Natur und dient neben der Verständigung über alte Grenzen hinweg und der Fortbildung vielmehr der touristischen Vermarktung der Schmiedetradition der Mitgliedsstädte. Die Kupferstadt ist Mitgründer des 2001 gegründeten Rings der europäischen Schmiedestädte. Initiator war der 2007 im Alter von 60 Jahren verstorbene Stolberger Kunstschmied Matthias Peters, in dessen Fußstapfen Kunstschmied Adi Radermacher als Fachbeirat in den kommunalen Zusammenschluss getreten ist. Sichtbare Zeichen der Arbeit des Rings finden sich vielfältig in Mitgliedsstädten. Skulpturenparks, Brücken der Freundschaft, geschmiedete Gesten aus den Partnerstädten sind im Stadtbild zu finden. Regelmäßige und publikumsträchtige Veranstaltungen, wie das Ferraculum im österreichischen Ybbsitz, die Bienale im bayerischen Kolbermoor oder die Schmiedeweltmeisterschaft im italienischen Stia sorgen für Furore. Dazu zählt auch das Kupfermeistertreffen, das alle zwei Jahre in Stolberg ausgerichtet wird. 2004 folgte die Premiere am Museum Zinkhütter Hof; 2006 zogen die Schmiede auf die Stolberger Burg, wo beispielsweise der Harlekin neben dem Eingang das Schaffen der Kunsthandwerker demonstriert. Doch die Resonanz der Besucher der Kupfermeistertreffen auf der Burg im Rahmen der Stadtparty blieb hinter den Erwartungen zurück. Um ihm ein größeres Publikum zu gönnen, präsentierten die Schmiede ihr Können als „Schmiedetreffen“ jetzt erstmals vor dem Rathaus.

Eine Location, die seit 2008 alljährlich an einem Wochenende als „Schmiedeweihnacht“ Metallgestaltern wie Besuchern als Anziehungspunkt der Kupferstädter Weihnachtstage dient. Doch auch 13 Jahre nach der Gründung des Schmiederings sind die Zeichen seines Wirkens in der Kupferstadt – es gibt noch den „Baum der Toleranz“ im Atrium des Rathauses – überschaubar, die touristischen Potenziale bei weitem nicht ausgeschöpft. Das sieht auch Adi Radermacher so. „Die Stadt hat ihre Mitgliedschaft in den letzten Jahren nur halbherzig wahrgenommen“, sagt der Schmiedesprecher. „Es ließe sich vieles mehr bewegen, wenn sich Stolberg eindeutig zu seiner Mitgliedschaft auch bekennen würde.“

Das soll morgen der Hauptausschuss und am 28. Oktober der Stadtrat – oder eben auch nicht: „Ganz oder gar nicht?“ Vor diese Frage stellt die Verwaltung die Politik. Aktueller Hintergrund – neben einer schwelenden Unzufriedenheit der Stolberger Akteure über die Beteiligung mit angezogener Handbremse – ist ein bereits im vergangenen Frühjahr vom Schmiedering beschlossenes Projekt, für dessen Realisierung die jüngste Tagung der Mitgliedsstädte im norwegischen Øvre Eiker als Deadline für eine Förderung durch den Ring den 1. November gesetzt hat. Der stellvertretende Bürgermeister Patrick Haas, Jürgen Gerres (Wirtschaftsförderung) und Barbara Breuer (Stolberg-Touristik) nahmen als Delegation aus der Kupferstadt an der Tagung teil.

„Skulptur der Mitgliedsgemeinden“ nennt sich die Aktion, in deren Rahmen in jeder Ring-Stadt ein Metall-Kunstwerk entstehen soll, für die in jeder Kommune auch eine eigene Namensplakette geschaffen werden soll. „Die Kosten für die 18 Schilder und ihren Versand betragen rund 6000 Euro“, listet Jürgen Gerres die Kosten auf. Hinzu käme idealerweise auch eine entsprechende Skulptur für die Kupferstadt.

Kosten sind der Anlass

Kosten und Zeitdruck sind Anlass für den Bürgermeister, dem Stadtrat eine Grundsatzentscheidung abzuverlangen. Neben den einmaligen Kosten für dieses Projekt, oder folgende, schlägt der Aufwand für die Mitgliedschaft jährlich wechselnd mit 2500 oder 12 500 Euro zu Buche. Der Jahresbetrag beträgt 1000 Euro; die Teilnahme einer Delegation an der Jahreshauptversammlung wird mit 1500 Euro kalkuliert. Jedes zweite Jahr würden die Kosten für die Ausrichtung eines Schmiedefestes mit rund 10 000 Euro anfallen. Neben diesen Beträgen fallen bei einem Verbleib im Ring als Aufwand die Gestellung von städtischem Personal für die Durchführung von Veranstaltungen und Kosten für eine Beteiligung an weiteren Aktivitäten des Schmiederings an. Und es bleibt das Risiko, dass trotz eines erhöhten Budgets und einer Steigerung der Attraktivität von Veranstaltungen in Stolberg die erhoffte Frequenz von Besuchern ausbleibt.

Dem stehen als Vorteil eines (aktiveren) Verbleibs im „Ring der europäischen Schmiedestädte“ sowohl im touristischen Sinn wie auch für das Stadtbild vor allem eine Stärkung des „Alleinstellungsmerkmals Kupfer“ gegenüber, das überregional vermarktet werden kann. Dieses hatte bereits 2007 Dr. Datzer in dem für Stolberg erarbeiteten Tourismuskonzept herausgearbeitet. Um mit dem Thema Kupfer wuchern zu können, „muss allerdings die Attraktivität der Veranstaltungen deutlich gesteigert werden“, konstatiert Tim Grüttemeier. Dann könne man mit diesem Alleinstellungsmerkmal auch zu einer Belebung der örtlichen Wirtschaft durch eine Stärkung des touristischen Angebotes beitragen. Schmiedefest und das Weihnachtsschmieden wären ebenso Ansätze dazu wie ein kultureller Austausch, so wie beispielsweise vor fünf Jahren eine Delegation aus Kolbermoor mit Trachtengruppe und Bläserkapelle zur Stadtparty beigetragen hat. Voraussetzung für ein weiteres Engagement ist aber, dass es dem Stadtrat ein Budget wert ist.

„Das ist für mich eine ganz klare Entscheidung, die die Politik treffen muss“, erklärt Grüttemeier. Eine weitere Mitgliedschaft im Ring sei nur dann zielführend, wenn sie zukünftig mit einer verlässlichen Finanzausstattung auch zum Leben erweckt werde. Fehle aber das Geld dazu, dann mache es für Stolberg auch keinen Sinn, weiter Mitglied in den europäischen Verbund zu bleiben.

Für Adi Radermacher liegt die Antwort auf der Hand. „Selbstverständlich macht es Sinn, weiter zu machen und die bestehenden Kontakte auszubauen und vor allem auch zu nutzen“, sieht der Stolberger Kunstschmied die Potenziale, den Tourismus in der Kupferstadt anzukurbeln. „Das geht aber nur, wenn die Stadt ihre Mitgliedschaft nicht mehr nur halbherzig ausübt.“ Und das ist eine Einschätzung, die sicherlich auch sein Kollege Victor Burduk im umkämpften Donezk in der fernen Ukraine teilen würde.

„Die Stadt hat ihre Mitgliedschaft in den letzten Jahren nur halbherzig wahrgenommen. Es ließe sich vieles mehr bewegen, wenn sich Stolberg eindeutig zum Ring der Schmiedestädte auch bekennen würde.“

Adi Radermacher,

Kunstschmied im Fachbeirat

 

„Das ist für mich eine Entscheidung, die die Politik treffen muss.“

Tim Grüttemeier,

Bürgermeister

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